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Auf der Suche nach einem Platz im neuen System

Gabriela. Foto: Sven Gatter

Nach der Friedlichen Revolution und deutschen Einheit änderte sich für viele Menschen in Ostdeutschland die gesamte Lebens- und Wertewelt. Gabriela verbrachte ihre Kindheit hauptsächlich in Beelitz, einer Stadt in Brandenburg. Die Nachricht von der Öffnung der Grenzübergänge im November 1989 löste bei ihrer Familie ein Gefühl der Ohnmacht und Skepsis darüber aus, was nun kommen würde. Gabriela berichtet, wie sie die folgenden Jahre der Umbruchszeiten als Jugendliche erlebte:

„Vor 1989 wollte ich Mathematiklehrerin werden, wie viele Kinder. Auch noch zwei Jahre danach. Aber dann war ich in der Pubertät und die Nachwendezeit habe ich als grenzenlos, regellos und frei in Erinnerung. Die Sicherheit, die man als Teenager bräuchte, konnten mir meine Eltern mit ihren gebrochenen Lebensläufen nicht geben. Auch habe ich in Erinnerung, dass der Jugendschutz nicht wirklich eine Rolle spielte. Wir waren in Clubs, Kneipen, Diskotheken auf dem Dorf oder trampten in die Stadt. Wir arbeiteten – 15 Jahre alt – bis nachts um 2:00 Uhr in der Kneipe; lebten in besetzten Häusern. Zumindest war es bei mir so. Alle Werte, die mir vor ’89 vermittelt wurden, zählten nicht mehr, wurden eher belächelt. Zeitweise wurde mir das Gefühl vermittelt, mich für meine Herkunft schämen zu müssen. Auf einmal zählten Marken, Geld und Selbstdarstellung. Ich konnte mich damit nicht identifizieren. Ich war anti. Vielleicht wäre ich das in dem Alter auch in einem sozialistischen Staat gewesen – das weiß ich nicht. Aber mit fünfzehn hießen meine Feinde Kapitalismus, Establishment und Ungerechtigkeit. Das ganze natürlich auf einem sehr pubertären Niveau. Ich habe meinen Platz in diesem neuen System gesucht und das noch sehr lange.“

Weitere Informationen zu Gabriela sind hier zu finden: Zeitenwende-Lernportal.de: Gabriela

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