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Bewegte Jugend: Umzug in den Westen

Nach der Öffnung der Mauer waren Orte und Länder für die DDR-Bürgerinnen und Bürger plötzlich nahe, die zuvor unerreichbar schienen. Viele Menschen nutzen die neuen Chancen: Sie fuhren für ein Wochenende oder einen Urlaub nach Westdeutschland oder in andere europäische Länder, viele zogen auch dauerhaft um und suchten sich neue Jobs im Westen. Diese Entscheidung war aber nicht immer ganz freiwillig, denn durch die Umstrukturierung der ostdeutschen Wirtschaft verloren hunderttausende Menschen dort Anfang der 1990er-Jahre ihre Arbeit und waren darauf angewiesen, sich beruflich umzuorientieren.

Junge geht mit Schulranzen an einem Eingangstor vorbei. Darüber steht "Klub der Werktätigen"
Bildnachweis: Bundesstiftung Aufarbeitung, Daniel Biskup, Bild Chemnitz 1993 Club der Werktätigen

Clemens war 1989 10 Jahre alt. Er hatte im Sommer gerade die Schule gewechselt und musste dort Anschluss finden. Immer mehr Freundinnen und Freunde verschwanden im Herbst 1989 von einem Tag auf den anderen, weil ihre Familien geflohen waren. Clemens‘ Familie aber blieb, seine Eltern waren sehr aktiv in der kirchlichen Opposition. Die Friedliche Revolution und deutsche Einheit brachten viele Veränderungen und Verunsicherung für Clemens‘ Familie und seinen Freundeskreis mit sich. Auf einmal fielen die Rüstzeiten weg – Sommerlager, zu denen er immer mit der Kirchengemeinde gefahren war. Sein Vater wurde 1991 arbeitslos. Clemens Mutter fand eine neue Stelle bei einem großen Softwareunternehmen und war unter der Woche in Heidelberg. 1992 entschied sich die Familie, zusammen nach Baden-Württemberg zu ziehen. All die gesellschaftlichen Veränderungen in Ostdeutschland waren in Heidelberg weit weg und kaum spürbar. Clemens fand nur schwer Anschluss und fühlte sich fremd, dem Rest der Familie ging es ähnlich. An den Wochenenden fuhren sie daher immer öfter gemeinsam nach Dresden. 1994 entschieden sie sich, zurückzuziehen. Beruflich war es für die Eltern dort zwar weiterhin schwierig, aber sie hatten ihr soziales Umfeld zurück und Clemens besuchte wieder seine alte Schule.

 

Clemens im Portrait
Clemens, Bildnachweis: privat

 

TIPP: Menschen, die die Umbruchszeiten als Kind oder Jugendliche erlebt haben, haben oft eine eigene spannende Perspektive auf die deutsche Einheit. Sie werden heute die „Dritte Generation Ostdeutschland“ genannt. Zeitzeugen aus dieser Generation und ihre Geschichten findet ihr online im Zeitenwende-Lernportal.

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