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Migrantische Perspektiven auf die deutsche Einheit – Bleiben oder Koffer packen und gehen?

erlin 1992, Demo gegen Ausländerfeindlichkeit. Die Menschen halten ein Transparent mit der Aufschrift: Gegen den Fremdenhass.
Bildnachweis: Bundesstiftung Aufarbeitung, Daniel Biskup, Bild Berlin Demo gegen Ausländerhass-1-1991

Zuwanderung von ausländischen Arbeitskräften gab es während den Jahren der Teilung in Ost- und Westdeutschland. Während in der Bundesrepublik seit den 1950er-Jahren Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter beim Aufbau der Wirtschaft halfen, gab es in der DDR die Vertragsarbeit. Mit der deutschen Wiedervereinigung verloren die bilateralen Verträge der DDR, auf deren Grundlage die Vertragsarbeiter/-innen in Ostdeutschland beschäftigt waren, ihre Gültigkeit. Eine große Mehrheit dieser Menschen verlor ihren Arbeitsplatz und hatte damit keine Perspektive mehr in Deutschland. Viele Menschen mussten kurz nach dem Mauerfall in ihre Herkunftsländer zurück. Für diejenigen, die in Deutschland bleiben wollten, folgte eine herausfordernde Zeit: Sie mussten für ihre sozialen Rechte sowie ihr Aufenthaltsrecht kämpfen. Strukturell wurden sie stark benachteiligt und außerdem erlebten viele Anfang der 1990er-Jahre rassistische Übergriffe.

Die Vereinigung hatte aber auch Auswirkungen für Zugewanderte in ganz Deutschland. In den frühen 1990er-Jahren gab es in ganz Deutschland rassistisch motivierte Gewalttaten. In Rostock-Lichtenhagen fanden 1992 die bislang schwersten rassistischen Ausschreitungen in der Geschichte der Bundesrepublik statt. Auch in Mölln und Solingen verübten Neonazis Anschläge auf Wohnhäuser, die von türkischen Familien bewohnt wurden.

Viele Migrantinnen und Migranten stellten sich daher die Frage, ob sie in diesem Land noch willkommen sind und ob sie weiter in Deutschland leben wollen.

 

„Auf jeden Fall war das sehr schrecklich und vor allem die Älteren, also zum Beispiel meine Eltern, die ja nicht so ‘nen intensiven Kontakt mit Deutschen haben, die nicht so ‘ne breitgefächerte Bekanntschaften haben mit Deutschen, die hatten wirklich Angst. Die haben sich dann das schon zum Thema und zur Überlegung gemacht, ob man denn wirklich jetzt noch lange hierbleiben kann, ob es jetzt nicht Zeit wäre jetzt, spätestens jetzt mal die Koffer zu packen. Bei uns Jüngeren war das nicht so dramatisch, aber es hat uns schon ein bisschen, glaube ich, aus unserem Schlaf geweckt, dass alles in Ordnung sei.“

 

Interview mit Bülent T., Nachkomme türkischer Einwanderer/-innen

(Quelle: Nevim Cil: Topographie des Außenseiters. Türkische Generationen und der deutsch-deutsche Wiedervereinigungsprozess, Berlin: Verlag Hans Schiler 2007, S.189.)

 

TIPP: Habt ihr schon mal darüber nachgedacht, was die Wiedervereinigung für Menschen in Deutschland bedeutete, die damals zugewandert sind? Wie haben migrantische Communities bei euch die deutsche Einheit und die 1990er-Jahre erlebt? Haben sie damals überlegt, Deutschland wieder zu verlassen?

Viele Infos und spannende Geschichten zur deutschen Einheit aus der Perspektive von Einwanderinnen und Einwanderern findet ihr auf www.einheit-interkulturell.de.

 

 

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